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POLITIK UND WIRTSCHAFTNix finita25 Jahre deutsche Einheit: Ein Schlüssel dazu lag in BayernAm 8. November 1972 unterzeichnen der damalige Bundesminister für beson- dere Aufgaben Egon Bahr (r.) und SED-Politbüro-Mit- glied Michael Kohl im Bonner Palais Schaumburg den Grundlagenvertrag.Bei den Verbünde- ten Frankreich und Großbritannien habe es „sehr viel Wider- stand gegen die Ver- einigung“ gegeben, erinnert sich der da- malige US-Präsident George Bush senior an die Stimmung vor 25 Jahren.Hugo Müller-VoggFür die meisten Deutschen ist die deutsche Einheit kein Thema mehr. Mauer, Stacheldraht und tödliche Schüsse an der innerdeutschen Grenze sind ferne Erinnerungen. Die große Mehrheit ist zu Rechtder Meinung, die Wiedervereinigung sei alles in allem gut verlaufen. 25 Jahre danach wird die Einheit eher als Selbstverständlichkeit denn als Geschenk wahrgenommen.Dabei war es alles andere als selbstverständlich, dass von 1990 an zusammenwuchs, was zusammengehör- te, wie Willy Brandt es formulierte. Die Mehrheit der Deutschen hatte sich vor 25 Jahren längst darauf eingestellt, für immer in zwei getrennten Staaten zu leben. Selbst nach der Maueröffnung am 9. Novem- ber 1989 lehnten führende sozialdemokratische und grüne Politiker jeden Gedanken an eine Wiederver- einigung als „reaktionär und hochgradig gefährlich“ (Gerhard Schröder), „historischen Schwachsinn“ (Oskar Lafontaine) oder „illusionär“ (Hans-Jochen Vogel) ab. Die Grünen plakatierten gar „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“.Im Nachhinein wird die Wiedervereinigung gerne als mehr oder wenige automatische Konsequenz der „neuen Ostpolitik“ der Regierung Brandt/Scheeldargestellt. Richtig ist, dass die Moskauer Verträge zur Entspannung und zu menschlichen Erleichte- rungen im geteilten Deutschland beigetragen ha- ben. Aber 1989/90 wäre vielen Politikern in beiden Teilen Deutschlands eine selbständige, von Moskau unabhängige DDR nicht unsympathisch gewesen – sozusagen als Model für einen demokratischen Sozi- alismus mit einer gelenkten Wirtschaft. Dem stellte sich Helmut Kohl vehement entgegen. Er erkannt die historische Chance zur Wiedervereinigung und nutz- te sie geschickt. Dabei erwies sich: Die Einheit errei- chen konnte damals nur, wer die Einheit auch wollte.Im Zusammenhang mit den Ostverträgen wird der Beitrag Bayerns zur deutschen Einheit, genauer: der von Franz Josef Strauß, häufig übersehen. Der hatte den Grundlagenvertrag mit der DDR von 1972 als34 Der Peutinger 11 / 2015Karikatur: Horst HaitzingerFoto: REGIERUNGonline/Alfred Henning

