Page 36 - DerPeutinger11-2015
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POLITIK UND WIRTSCHAFTVerwundete SeelenDas Bild hängt an einer Stellwand in einer Halle in Passau, in der Flüchtlinge registriert wer- den. Kinder, die in den vergangenen Wochen, Mo- naten und Jahren vor und auf der Flucht Bomben, Leid und Tod erleben mussten, haben während der oft langen Wartezeit ihre Gefühle mit Buntstiften auf karierte Blätter gemalt.Die Bilder sind ein Blick in verwundete Kinderseelen. Bilder, von denen jedes tief berührt. Eines fällt besonders ins Auge, gezeich- net von einem Buben, der auch seinen Namen aufgeschrieben hat: Mohammed Nor. Er hat das Blatt mit einem orangefarbenen Stift in zwei Hälften geteilt: Links die Verzweiflung mit Toten und Verstümmelten, mit Trümmern und syrischer Flagge. Rechts die Hoffnung mit Friedenszweig und heilem Haus, mit drei Her- zen um das Wort „Polizi“ und um die deutsche Flagge.Die rechte Seite macht warm ums Herz und lässt erahnen, wie wichtig gerade für Kinder die Willkommenskultur der letzten Wochen war. Mohammed und viele tausend weitere junge Men- schen sind in Sicherheit. Haben wieder eine Chance für ein fried- liches Leben. Das Bild macht zugleich aber auch beklommen, weil es auch unsere Beschränktheit zeigt: Alle diese Kinder und ihre Eltern, die vor Fassbomben und blutrünstigen Islamisten fliehen, wünschen wir Sicherheit und Geborgenheit. Aber wir wissen zugleich: Sie alle bei uns aufzunehmen, würde uns über- lasten, würde unsere Gesellschaft zerreißen.Es hilft nichts: Wir müssen den Zuzug beschränken und darauf hinwirken, die Ursachen der modernen Völkerwanderung zu be- seitigen; was hoffentlich eher eine Herkules- als eine Sisyphus- arbeit sein wird. Und wir müssen unsere Kraft darauf konzen- trieren, die Hunderttausende, die schon zu uns geströmt sind, aufzunehmen als neue Mitbürger. Damit das Bild mit den drei rotenHerzenmehrwirdalsnureineHoffnung. PeterSchmalz36Der Peutinger 11 / 2015Bild: tiny.cc/SyriaFreedom© Bundespolizei

