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Starke Partner: Strauß mit Ehefrau Marianne 1982 beim Filmball in München.Kunststück mit Ball: Der Ministerpräsident 1982 bei der Benefiz-Veranstaltung „Stars in der Manege“ im Münchner Circus Krone. Rechts Hans-Jochen Vogel, dahinter Victor von Bülow, (Loriot).DP: Sie nennen Strauß Herrscher und Rebell zugleich. Das klingt nach einer widersprüchlichen Person. Möller: Auf das Spannungsverhältnis zwischen Emotionalität und Rationalität habe ich ja schon hin- gewiesen. Das drückt sich auch im Untertitel aus. Strauß war, durch Krieg und Diktatur wesentlich beeinflusst, ein Mensch mit einem unbändigen Frei- heitsdrang. Er wollte sich durch nichts und nieman- den einengen lassen. Insofern hat er gegen Zwänge ständig rebelliert. Andererseits war er zweifellos eine Herrschernatur und hat sich in der Rolle auch selber gesehen. Aber die Zwänge, die sogar ein Herrscher ertragen muss, die wollte er nicht ertragen. So wurde er ein Herrscher mit rebellischem Grundzug. Ein Re- gent, der manchmal zum Robin Hood wurde.DP: Was ihm Sympathien bei der Bevölkerung ein- brachte.Möller: Ja. Zu seinem Regierungsstil gehörte, dass er allem Administrativen misstraut und sich deshalb selbst intensiv in Akten eingearbeitet hat. Gerade bei sozialen Entscheidungen war er über vermeintlich un- menschliches Verhalten der Verwaltung oft empört. Sagten ihm Verwaltungsjuristen, es gebe keinen Spiel- raum, dann konterte er, auch Regierung und Verwal- tung müssten menschlich handeln, und hat Entschei- dungen oft konterkariert. Am liebsten hätte er alle möglichen Verwaltungsvorgänge selbst kontrolliert, was aber auch einem so hoch befähigten Ministerprä- sidenten nicht möglich war. Das hatte fast schon einen Zug zum aufgeklärten Absolutismus.DP: War er ein außergewöhnlicher Politiker? Möller: Strauß gehört zu den wenigen außergewöhn- lichen Politikern, die die Bundesrepublik gehabt hat.DP: Doch Skandale pflasterten seinen Weg.Möller: In meiner Biografie habe ich die wichtigsten vermeintlichen Skandale untersucht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Skandale waren, sondern Skandalisierungen. Beispielsweise die soge- nannte Starfighter-Affäre, wo behauptet wurde, er ha- be aus persönlichem Interesse den Ankauf des ameri- kanischen Kampfflugzeuges durchgesetzt. Später wur- de auch Bestechung behauptet, der Beleg dafür war, wie wir heute wissen, ein von der DDR-Staatssicher- heit abgehörtes und teilweise gefälschtes Gespräch, das in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde.DP: Aber gekauft hat er den Starfighter.Die Akten aber zeigen: Strauß und Adenauer wollten nicht zuletzt wegen der deutsch-französischen Zusam- menarbeit den französischen Mirage-Bomber kaufen. Doch die gesamte Luftwaffenführung empfahl den Starfighter. Selbst der sozialdemokratische Vorwärts bejubelte ihn als ein Wunderflugzeug. Und der Ver- teidigungsausschuss entschied sich mit 18 Stimmen bei einer Enthaltung für den Starfighter, also auch mit den Stimmen der Opposition. Zu sagen, Straußhabe die Entscheidung im Alleingang getroffen, ist Unsinn. Ein auch noch später von einem ehemaligen US- Offizier österreichischer Herkunft erhobener Be- stechungsvorwurf hatte in der Tat einen realen Hinter- grund. Doch dieser Vorwurf traf nicht Strauß, sondern den Prinzen Bernhard der Niederlande und einige andere. Das vermeintliche Tagebuch dieses Mannes namens Hauser, das als Beweis angeführt wurde, er- wies sich als Fälschung. Die von dem Ex-Offizier ge- gen Strauß erhobenen Vorwürfe hat kein Mitglied des eigens eingesetzten Bundestags-Untersuchungsaus- schusses für glaubwürdig gehalten. Übrigens auch nicht das damals von Hans-Jochen Vogel geleitete Bundesjustizministerium, das in einer großen Exper- tise ausdrücklich feststellte, es gebe keine Grundlage für einen Bestechungsverdacht gegenüber Strauß.DP: Der Vorwurf lebt in den geronnen Erinnerung fort. Möller: Ja, Sie können das kaum einem klarmachen – und es wird in vielen Artikeln, obwohl es wider- legt ist, bis heute wiederholt, in der SZ, im Spiegel und manchen Fernsehsendungen beispielsweise noch im August und September. Man kann das nur als Absicht deuten, die jahrelangen eigenen Falsch- darstellungen zu kaschieren und aus politischen Mo- tiven weiterhin falsche Strauß-Bilder zu verbreiten. Aus den Quellen rekonstruierte Fakten werden be- wusst ignoriert, weil sie den Betreffenden nicht in den Kram passen. Zur Spiegel-Affäre liest man immer wieder, er habe den Bundestag belogen. Wertet man aber die Quellen minutiös aus, kommt man zu dem Schluss: Hat er nicht. Bei den von mir untersuchten Beispielen bleibt also die geschichtspolitisch moti- vierte Skandalisierung, aber kein bewiesener Skan- dal. Es bietet Stoff für Karikaturen, in welchem Maße solche Darstellungen krampfhaft in den Auseinan- dersetzungen der 1960er bis zu den 1980er Jahren befangen bleiben und geradezu ängstlich die Kennt- nisnahme der Fakten verweigern.DP: Ohne ihn, räumen selbst entschiedene Strauß- Gegner ein, gäbe es den Airbus nicht. Seine größte Leistung?Möller: Das würde ich nicht sagen. Der Airbus ge- hört sicher zu seinen großen Leistungen. Strauß war für die Luftfahrtindustrie in Deutschland ein Pionier, wobei er immer darauf bedacht war, die Airbus-In- dustrie auf eine breite europäische Basis zu stellen und zugleich Bayern davon profitieren zu lassen. Er galt sozusagen als die personifizierte Airbus-In- dustrie. Doch zu seinen großen Leistungen zählen unbestreitbar auch der Aufbau der Bundeswehr, die Arbeit als Finanzminister und das Urteil beim Bun- desverfassungsgericht von 1973 zum Grundlagen- vertrag, das viel später wichtig wurde, weil es dazu beigetragen hat, die deutsche Frage offen zu halten und damit später den Weg zur deutschen Einheit zu ermöglichen.„Er hatte das Zeug zum Kanzler“, meinte Alt-Kanzler Helmut Schmidt kürzlich in einem Zeit-Interview, und Heribert Prantl von der gewöhnlich Strauß-kritischen Süddeutsche Zeitung forderte gar den Ein- zug in die Walhalla: „Es gehört sich, dass dort zum 100. Ge- burtstag auch Franz Josef Strauß aufge- stellt wird.“ Die Bay- ern-SPD sollte ihre „kleinkarierten Be- denken“ zurückstel- len.32Der Peutinger 11 / 2015Fotos: Hanns-Seidel-Stiftung

