Page 33 - DerPeutinger11-2015
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POLITIK UND WIRTSCHAFTDP: Kanzler wäre er gerne geworden, bayerischer Ministerpräsident ist er gewesen. War das gut so? Möller: Natürlich wollte er Kanzler werden, doch bevor er 1980 Kanzlerkandidat wurde, hat er lange gezögert, weil er realistisch die Chancen als gering eingeschätzte.DP: Strauß war ohnehin keiner, der schnell entschie- den hat.Möller: Er hatte etwas gegen Leute, die zu komplizier- ten Fragen schnelle Entscheidungen trafen. Er sagte immer: „Verschafft euch doch erst mal Sachkenntnis.“ Eine Messlatte, die er auch an sich selbst anlegte. Bei der Kanzlerkandidatur warnte er davor, die Aussich- ten als zu groß einzuschätzen – schon deswegen, weil die Union gegen SPD und FDP die absolute Mehrheit hätte erringen müssen. Auf der anderen Seite war die CSU in der Zwickmühle. Hätte sie jetzt nicht zuge- griffen, hätte sie damit deutlich gemacht: Wir erheben keinen Anspruch auf die Kanzlerschaft. Ich glaube, Strauß hätte als herausragender Staatsmann, der über den Wahltag hinaus dachte, eine bedeutende Rolle als Kanzler spielen können, was übrigens jüngst sein frü- herer Antipode Helmut Schmidt betont hat. Doch sind solche Überlegungen natürlich hypothetisch, weil es nicht dazu gekommen ist.DP: War die bayerische Staatskanzlei zu klein für ihn? Möller: Ich würde nicht sagen, zu klein. Der Minis- terpräsident eines wirtschaftlich und kulturell so be- deutendsten Bundeslandes wie Bayern, der zugleich Parteivorsitzender einer Koalitionspartei ist und der die Fähigkeiten von Franz Josef Strauß hat, auch auf internationaler Ebene zu agieren, der kann auch in diesem Amt sehr Bedeutendes leisten. Allerdings war er 27 Jahre lang primär Bundespolitiker und Außen- politiker gewesen. Und trotz ihres Ranges ist die Bay- erische Staatskanzlei nicht das Zentrum der Bundes- politik oder der Außenpolitik.DP: Zu den Fehlern des FJS zählt wohl der Trennungs- beschluss von Wildbad Kreuth?Die Störche haben es geahnt: Franz Josef Strauß wurde zum meist karikierten Politiker in der Bundesrepublik. Zum Geburtstag hat die Hanns-Seidel-Stiftung in einem Karikaturen-Band zusam- mengestellt, der gegen eine Gebühr von 5 Euro zu erwerben ist.Möller: Das war meines Erachtens ein politischer Fehler. Auch weil die Aufkündigung der Frak- tionsgemeinschaft mit der CDU nicht wirklich durchdacht war. Aber welcher Politiker macht nicht auch Fehler? Nur bei Strauß wurden sie von den Gegnern über- dimensioniert, während manche Anhänger sie nicht sehen wollten.DP: Man hört oft, ein Franz Josef Strauß wäre heute nicht mehr mög- lich. Ist das gut so oder ist es eher ein Zeichen für einen heute sterilen Politikbetrieb?Möller: Das hat zwei Aspekte. Der politische Stil wur- de durch die neuen Medien verändert. Es wird sehr viel mehr über Bilder, über Kurzinformation und über Talkshows vermittelt. Das Radio aber, das vor 40, 50 Jahren noch eine große Rolle spielte, hat den eher ar- gumentativen Stil von Strauß begünstigt.DP: Strauß wäre kein geeigneter Talkshowgast? Möller: Nein, sinngemäß hat er das auch selber ge- sagt: „Meine Frau weiß viel besser mit dem Fernsehen umzugehen, aber mir liegt das nicht so.“ Das ist die eine Seite. Andererseits aber, da stimme ich Ihnen zu, ist es auch ein kritisches Urteil über die heutige Po- litik. Denn was für Strauß charakteristisch war, sollte für eine Demokratie charakteristisch sein - dass die Kontroverse notwendig ist. Das heißt, politische Al- ternativen entwickeln, darüber mit Verve diskutieren und schließlich einen Kompromiss finden. Das sollte der Normalfall sein. Heute steuert man den kleinsten gemeinsamen Nenner an, bevor die Alternativen über- haupt diskutiert worden sind. Kontroversen und Streit sind unpopulär. Strauß aber hat bis zur Kompromiss- findung keine Auseinandersetzung gescheut.DP: Käme er von seiner Wolke herab und würde er sich mit seinem Zorn und seiner Wortgewalt in die Wahlkämpfe einmischen – würden sich die Men- schen wieder mehr für Politik begeistern und wie- der in wachsender Zahl zur Wahl gehen?Möller: Ein Strauß würde den Politikbetrieb sicher interessanter machen. Einer, der so farbig und so witzig reden kann, hat einen besonderen Unterhal- tungswert. Strauß konnte durch die Macht seiner Sprache, die Farbkräftigkeit und die Pointensicher- heit seine Zuhörer unterhalten. Er war auch der Meinung, wir brauchen keine Harmonievereine als Parteien, dann könnten wir gleich dicht machen. Zwischen ihm und dem heutigen Stil zeigt sich ein unterschiedliches Verständnis demokratischer Poli- tik. Dass es Politiker wie Strauß nicht mehr gibt, ist eine Verarmung – nicht nur wegen seiner fesselnden Rhetorik, sondern auch bei der sachlichen Diskussi- on von Alternativen. Insofern könnte ein Franz Josef Strauß heute die wahlmüden Deutschen durchaus wieder mehr für die Politik interessieren. Handschriftlich legte Strauß Zeugnis seiner Arbeit ab.„Ich bin weder Heili- ger noch Dämon, ich bin kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Mensch in seinem Widerspruch.“Franz Josef Strauß 1977 in einem InterviewDer Peutinger 11 / 201533Karikatur: Horst Haitzinger


































































































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