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KONRAD PEUTINGERWie Luther haderte auch Konrad Peutin- ger mit der Kirche. Er lud den streitba- ren Mönch zu einem Abendessen in sein Augsburger Haus ein. Doch anders als Luther, wollte Peu- tinger eine Reform in der Kirche. Seinen Gast konnte er je- doch nicht überzeu- gen.Bürgergemeinde. Das Bedürfnis nach einer „eigenen Kirche“ war in vorreformatorischer Zeit als zentrales Handlungsmotiv sicher von gleich großem Gewicht wie die Mängel im alltäglichen Erscheinungsbild der Geistlichkeit, das die Zeitgenossen zu einer Reforma- tion an Haupt und Gliedern herausforderte.Ein verbreiteter Antiklerikalismus, der „Pfaffen- hass“, entzündete sich nicht nur am weltlichen Trei- ben und an der Missachtung der Gelübde, sondern er resultierte auch daraus, dass das adelige Domkapitel seine geburtsständische Differenz zum Bürgertum betonte. Der Ablass wurde zwar nur zum Teil gene- rell in Frage gestellt, doch vehemente Äußerungen wandten sich gegen den Missbrauch und die damit verbundene Finanzpolitik der Kurie und der hohen Geistlichkeit. Immerhin fanden sich am Vorabend der Reformation Mitglieder der bürgerlichen Ober- schicht und des gebildeten Klerus zusammen in ei- ner „offenen Gesellschaft“, die an einem ehrenhaften Leben in Gott und Welt interessiert war und deren Sympathien nicht zufällig auch der grundsätzlichen Stoßrichtung Luthers galten.Die Garantie für den verfassungsrechtlichen Status der Stadt aber lag beim Reich und erforderte die Prä- senz auf dieser politischen Ebene; sie wurde über viele Jahre von Konrad Peutinger wahrgenommen. Als Reichsstadt hatte Augsburg zwar weitgehende Autonomie erlangt, trotzdem blieb der Kaiser obers- ter Stadtherr. Diese Verbindung enthielt zudem eine dynastische Komponente, seit die Habsburger enge finanzpolitische Beziehungen mit den führenden Augsburger Familien eingegangen waren. Daraus war eine langfristige Bindung entstanden, denn auch die Wahl von Karl V. als Maximilians Nachfol- ger finanzierte 1519 das Augsburger Kapital unter führender Beteiligung der Fugger. Schon die sieben Reichstage in seinen Mauern zwischen 1500 und 1555, darunter die für die Reformationsgeschichtebesonders gewichtigen, spiegeln die Bedeutung der Stadt für die Reichsgeschichte wider und markieren gleichzeitig die politischen Rahmenbedingungen für ihre bürgerlichen Entscheidungsträger.Der reformatorische Prozess setzte in Augsburg, wie auch in anderen Städten, zunächst mit der gelehrten Reformdiskussion innerhalb der kirchlichen Tra- dition ein. Der neugewählte Bischof Christoph von Stadion forderte 1517, im Jahr von Luthers Thesen- anschlag, in einer Diözesansynode vom Klerus „ein von Auswüchsen gereinigtes, biblisch bestimmtes, einfaches innerliches und gelebtes Christentum“. Zu- gleich fiel Luthers Kritik am Ablasswesen in seinen 95 Thesen gerade in Augsburg auf fruchtbaren Bo- den, war doch hier in der Fugger-Zentrale ein finan- zielles Abwicklungszentrum des Peters-Ablasses. Im Jahr darauf wurde Luther, der in Konrad Peutinger und einigen Ratsmitgliedern Fürsprecher hatte, vor den Reichstag nach Augsburg zitiert, doch bei Ver- handlungen mit dem päpstlichen Legaten Cajetan im Fugger-Palais weigerte er sich, seine Thesen zu wi- derrufen. Der drohenden Verhaftung entzog er sich durch nächtliche Flucht.Zuneigung zu Luthers Kritik an der Kirche war in Augsburg deutlich spürbar. Selbst Bischof Christoph verzögerte die Publikation der päpstlichen Bann- androhungsbulle, Gelehrte und Bürger sympathi- sierten mit Luthers Anliegen. Die 1521 verhängte Reichsacht über Luther und seine Anhänger samt Verbot der Schriften verhallte hier ohne Konsequen- zen. Das Franziskanerkloster „bei den Barfüßern“ avancierte zu einem reforamtorischen Zentrum, im August 1523 kam es zur ersten öffentlichen Hochzeit eines Priesters.Als ein Barfüßer-Mönch 1524 wegen prolutherischer Äußerungen zum Verlassen der Stadt gezwungen werden sollte, entflammte ein Handwerkeraufstand. Die oppositionelle Bewegung zielte zum einen dar-Der Ablasshandel brachte der katholischen Kirche viel Geld, aber auch zunehmend Kritik ein. Vor allem Martin Luther stritt heftig gegen den „Peters-Ablass“, der vor allem in der Fugger-Zentrale abgewickelt wurde. Das Bild rechts zeigt eine anonyme Augsburger Schrift von1521 zum Ablasshandel.20Der Peutinger 11 / 2015

