Page 22 - DerPeutinger11-2015
P. 22

Bei seinem zweiten Augs- burg-Besuch 1518 wurde Martin Luther im Fugger- Palais von Kardinal Cajetan (Bild) verhört. Er sollte seine neue Glaubenslehre wider- rufen, blieb aber standhaft und forderte zum ersten Mal eindeutig: Alle kirchliche Autorität muss sich der Bibel unterordnen. Nur das Wort Gottes ist die Quelle echter Wahrheit und Freiheit.terstützten, trat Augsburg am 1. Juli 1546 zusammen mit seinen Verbündeten in den Schmalkaldischen Krieg ein – als einem Akt der Solidarität, der nicht gegen den Kaiser gerichtet sei.Nach anfänglichen Erfolgen der Bundestruppen in Schwaben wendete sich schon im Herbst das Kriegs- glück. Die Niederlage der Schmalkaldener führte im Januar 1547 – noch vor dem Tod Konrad Peutingers im Dezember – zu einem Fußfall einer städtischen De- legation vor dem Kaiser in Ulm. Monate später vollzog sich auf dem „Geharnischten Reichstag“ in Augsburg die politische Neuordnung im Reich. In der Stadt wur- de der Bischof 1548 wieder in seine alten Rechte ein- gesetzt, der Klerus kehrte aus dem Exil zurück, okku- pierte sowie geschlossene Klöster und Stiftskomplexe wurden restituiert. In zähen Verhandlungen wurden der evangelischen Bevölkerungsmehrheit wenigstens einige Kirchen zugestanden. Die protestantische Ein- heitlichkeit der Stadt zerbrach, der Weg zur Bikonfes- sionalität bahnte sich an. Die Verfassungsänderung Karls V. fixierte im neu besetzten Rat die Oligarchie des alten Patriziats sowie der potenten Kaufleute und stärkte die katholische Fraktion. Die Zünfte wurden als politische Körperschaften aufgehoben und auf rein handwerkliche Innungen reduziert. In die zen- tralen Ämter gelangten vorwiegend Repräsentanten des Fugger- und des Welser-Netzes. Vor allem die Fugger gewannen an politischem Einfluss, die Welser richteten sich deutlich bikonfessionell aus.Nach dem zehnjährigen Aufbau eines reformatori- schen Konzepts der städtischen Lebenswelt bedeutete diese neue Struktur in Augsburg einen tiefgreifenden Rückschlag. Das nur kurze Zwischenspiel mit dem Fürstenaufstand 1552 schien das Rad noch einmal zugunsten der Protestanten zurückzudrehen, führ- te aber im selben Jahr in den Passauer Vertrag und damit zum Nebeneinander der Konfessionen, das im Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 realisiert wurde. Er brachte die reichsrechtli- che Anerkennung der Augsburger Konfession und damit auch eine innerstädtische Klärung: Zum einen schrieb er die Bikonfessionalität fest, da nach Para- graph 27, dem sogenannten „Städteartikel“, Augsburg zu den Reichsstädten gehörte, in denen beide Kirchen nebeneinander bestehen sollten. Zum anderen erfolg- te in der Folgezeit die endgültige Orientierung an der lutherischen Variante der Reformation, da nur die Augsburger Konfession Anerkennung fand. Melanch- thon vermittelte die ersten sächsischen Theologen, der lutherische Katechismus wurde 1559 bei St. Anna eingeführt. Damit war der Weg zur Parität geebnet, der die Zukunft bestimmen sollte.Ein Jahrhundert später, während des Dreißigjährigen Kriegs, wurde die Parität gefährdet, am 8. August 1629 untersagte Kaiser Ferdinand II. den protestan- tischen Bürgern sogar die Ausübung ihres Glaubens. Doch 1632 besetzen die Schweden die Stadt, und 1648 wurde mit dem Westfälischen Frieden die Pari- tät in Augsburg wieder hergestellt. Zwei Jahre danach dankten die Protestanten am 8. August, dem Jahres- tag des kaiserlichen Eingriffs, erstmals mit einem Friedensfest für die Erhaltung ihres Glaubens. Dieses Fest wird seither jährlich gefeiert und ist noch heute in der Stadt ein geschützter Feiertag. Prof. Dr. Rolf Kießling, 1941 geboren in Augsburg, studierte Geschichte, Ger- manistik und Geographie in München und Erlangen. An der Universität Augs- burg hatte er bis 2006 den Lehrstuhl für Bayerische und Schwäbische Landes- geschichte inne.dass die von der Mehrheit in der Stadtbevölkerung getragene Befürwortung des neuen Glaubens über- gesprungen war auf das städtische Regiment. Sie erfasste auch Führungsfiguren wie die jährlich ge- wählten Bürgermeister Ulrich Rehlinger, und Anton Bimmel, Hieronymus Imhof und Georg Vetter sowie einige einflussreiche Ratskonsulenten.Dem Drängen dieser reformatorisch gesinnten Grup- pe wollte der Rat jedoch nur nachgeben, wenn seine Berechtigung zur Reformation abgesichert war. In einer Reihe von Gutachten ließ er sich seine Kompe- tenz bestätigen – Peutinger sprach sich bezeichnen- derweise dagegen aus, wurde aber 1534 von seiner Spitzenposition verdrängt. Nachdem Verhandlungen mit dem Bischof gescheitert waren, wurden den Ka- tholiken zunächst Prozessionen und Wallfahrten un- tersagt, schließlich der katholische Gottesdienst auf acht Kirchen der Stifte und Klöster eingeschränkt, der Besitz der Pfarrzechen aus dem Kirchenvermö- gen ausgeschieden, die Stiftungskapitalien dem Al- mosensäckel zugewiesen, kleinere Nebenkirchen und einige Klosterkirchen geschlossen. Am 20. Janu- ar 1536 fand der Rat auch den Weg in den Schmal- kaldischen Bund, der politische Rückendeckung ver- sprach für den noch ausstehenden letzten Schritt, aus Augsburg eine rein evangelische Stadt zu machen. Im Jahr danach 1537 wurde die „papistischen Abgötte- rey“ völlig beseitigt: die meisten noch vorhandenen Klöster wurden aufgelöst und deren Grundbesitz ein- gezogen; die Stiftsherren und Mönche, die sich der Reformation verweigerten, wurden ins Exil gezwun- gen. Die Messe war nun gänzlich untersagt, der Um- gestaltung der Kirchen unter Beseitigung der Bilder nahezu freier Lauf gelassen. Zwar konnte sich eine durchaus nicht unbeträchtliche altgläubige Minder- heit im Bürgertum halten, doch ihr Rückhalt in der kirchlichen Struktur der Stadt war verloren gegan- gen; lediglich einige Nonnen bei Maria Stern und St. Katharina verweigerten sich dem Ratsgebot.Düstere Wolken zogen jedoch auf, als 1543 der papst- treue Otto Truchseß von Waldburg Bischof wurde und eine betont gegenreformatorische Position ein- nahm. Zudem wurde das Herzogtum Bayern Füh- rungsmacht der „Christlichen Einigung“, die auf umfassende Rekatholisierung zielte. Vorsichtshalber bemühte sich der Rat um den Festungsbau und stell- te militärische Kontingente auf. 1543 begann Papst Paul III. mit dem Trienter Konzil, den Katholizismus zu erneuern, und Kaiser Karl V. strebte zusehends an, den protestantischen Widerstand militärisch zu brechen. Obwohl einflussreiche Großkaufleute, dar- unter die Fugger, den Kaiser mit Kriegskrediten un-22Der Peutinger 11 / 2015


































































































   20   21   22   23   24