Page 17 - DerPeutinger11-2015
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KONRAD PEUTINGERIn seinem privaten Bibliothekskatalog bezeichnete Peutinger die Tafel noch als Teil des Itinerarium Antonini, einem Verzeichnis römischer Straßen vom Beginn des 3. Jahrhunderts. Doch eine Analy- se der Ortsnamen auf der Karte ergibt den Befund, dass diese einmalige Karte wohl ein Jahrhundert später angelegt wurde.Woher Celtis, der sich auch als Geograph betätigte, die Tafel hatte, ist nicht eindeutig geklärt. Sie war eine Kopie aus dem 12. Jahrhundert, deren Vorla- ge wiederum eine vermutlich im Bodensee-Kloster Reichenau in der Karolingerzeit angefertigte Ab- schrift war, die ihrerseits auf einem antiken Ori- ginal beruhte. Peutinger besaß damit den einzigen Überlieferungsträger dieser spätrömischen Karte. Er legte erste Skizzen an und plante, ein Faksimile der Karte drucken zu lassen, verfolgte das Vorha- ben aber nicht weiter. Nach seinem Tode 1547 ge- langte sie mit der umfangreichen Peutinger-Biblio- thek in den Besitz seiner Privaterben.Gut 30 Jahre später bemühte sich der Antwerpener Kartograph Abraham Ortelius, das bedeutendste Dokument der antiken Kartographie einzusehen. Da er sich dabei zunächst nach Speyer wandte, kam die Vermutung auf, dass Celtis dort die Karte erworben haben könnte. Erst Anfang der 1580er Jahre wusste Ortelius, dass er sich an den Augsbur- ger Stadtadvokaten Konrad Pius Peutinger, einen Enkel des Augsburger Humanisten, zu wenden hat- te, doch seine Augsburger Gewährsleute konnten ihm keinen Zugang zur Tafel vermitteln.Erst Marx Welser, der mit den Peutingern ver- schwägerte Späthumanist, der den Niedergang des einst mächtigen Augsburger Handelshauses erle- ben musste und kurz vor dessen Pleite starb, hatte größeren Erfolg: Er durfte in der Peutinger-Biblio- thek nach der Karte suchen und fand dort zunächstdie wenigen Skizzen seines Großonkels. 1591 ver- öffentlichte er ein Faksimile dieser Teile zusam- men mit einem Kommentar unter dem sperrigen Titel „Fragmenta tabulae antiquae in quis aliquot per Romanas Provincias itinera ex Peutingerorum bibliotheca“ bei Aldo Manuzio d. J., einem interna- tional hochrenommierten Verleger aus Venedig. Mit dieser Schrift öffnete sich für Welser der Weg in die internationale Gelehrtenwelt.1597 stieß Marx Welser schließlich auf die gesamte Karte und informierte Ortelius über den Fund. Wel- ser ordnete sie bereits zeitlich richtig ein und sandte eine Kopie derselben nach Antwerpen. Ortelius be- mühte sich um eine umfangreiche Edition der Tabu- la, konnte allerdings den geplanten Kommentar der Ortsnamen vor seinem Tode 1598 nicht abschließen. Sein Verleger Jan Moretus wandte sich daher an Wel- ser, der das Manuskript von Ortelius zügig freigab. Noch 1598 konnte so die erste Faksimile-Ausgabe unter dem Titel „Tabula itineraria ex illustri Peutin- gerorum bibliotheca“ in Antwerpen erscheinen.Sie wurde mehrmals nachgedruckt, zum ersten Mal 1619 in Pieter de Berts „Theatrum geographiae veteris“, wo sie auch erstmals verkürzt nach ihren Besitzern als Tabula Peutingeriana (Peutingersche Tafel) vorgestellt wird, wie sie auch heute noch be- zeichnet wird.Die Vorlage geriet unterdessen wieder in Verges- senheit. Erst 1714 wurde sie von den Peutinger-Er- ben wieder hervorgezogen und gelangte in den Besitz von Prinz Eugen („der edle Ritter“). Nach dessen Tod erwarb sie der Habsburger Kaiser Karl VI., in dessen Auftrag Prinz Eugen die Türken be- siegt hatte. Noch heute wird die Peutinger-Tafel in Wien in der Österreichischen Nationalbibliothek unter der Signatur Cod. 324 aufbewahrt und zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.Fast sieben Meter lang ist die römische Straßenkarte, auf dem 220.000 Kilometer langen Straßennetz sind 555 Städte und Dörfer sind durch rote Linien miteinan- der verbunden.Dr. Magnus Ulrich Ferber, 1975 in Bobingen geboren, studierte an der Universität Passau Geschichte und pro- movierte 2004 mit einer Ar- beit über den Briefwechsel des Augsburger Gelehrten Marx Welser. Im Volk Ver- lag hat Dr. Ferber das Buch „Augsburg im 16. Jahrhun- dert“ (120 S., 11,90 E) ver- öffentlicht.Der Peutinger 11 / 201517


































































































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