Page 23 - DerPeutinger11-2015
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KONRAD PEUTINGERBruder-StreitPeutingers Gutachten zum Kupfersyndikat von 1498Mark HäberleinIm letzten Drittel des 15. Jahrhunderts erlebte der europäische Kupferhandel einen starken Aufschwung. Das nach den großen Pestwellen des Spätmittelalters wieder einsetzende Bevölkerungswachstum, die zunehmende Monetarisierung der Wirtschaft, Fortschritte in der Militärtechnik (Geschützguss) und die portugiesische Ex-pansion nach Afrika führten zu einer steigenden Nachfrage nach dem Buntmetall. Wichtigstes Abbaugebiet war zunächst Tirol, insbesondere das Schwazer Revier bei Innsbruck, wo die großen Augsburger Handelsgesellschaf- ten der Fugger, Baumgartner, Gossembrot, Herwart und Hoechstetter seit den 1480er Jahren in großem Umfang Kapital investierten. Durch Darlehen an die Tiroler Landesherren sicherten sie sich einen Großteil der Produk- tion, die sie in den europäischen Handelszentren Venedig, Mailand, Nürnberg, Lyon und Antwerpen absetzten.Wenige Jahre nach ihrem Einstieg in den Tiroler Silber- und Kupferhandel sicherten sich die Fug- ger auch die Ausbeute der zweiten großen europä- ischen Kupferregion um Neusohl (Banská Bystrica) in der heutigen Slowakei: 1494 gründeten sie zu diesem Zweck mit dem Krakauer Bergbauspezialis- ten Johann Thurzo und dessen Söhnen den „Gemei- nen Ungarischen Handel“. In den folgenden Jahren errichteten die Fugger-Thurzo Schmelzhütten und Faktoreien und bauten so das Unternehmen ziel- strebig aus. Das ungarische Kupfer brachten sie auf die europäischen Märkte, zunächst ebenfalls pri- mär nach Venedig.Da der Aufschwung des ungarischen Handels die Preise auf den internationalen Kupfermärkten un- ter Druck setzte, bildeten die Fugger im März 1498 mit drei weiteren Handelsgesellschaften – den Augsburger Gossembrot und Herwart sowie den Kufsteiner Baumgartner – ein Syndikat, für das der Faktor (Firmenvertreter) der Fugger in Vene- dig, Hans Keller, den Verkauf vereinbarter Mengen ungarischen und Tiroler Kupfers auf gemeinsame Rechnung am Rialto übernahm. Fugger sprengte dieses Syndikat allerdings durch Dumpingverkäufe ungarischen Kupfers unter dem Namen der Thurzo bereits im Herbst 1499. In einem Vergleich überließ Jakob Fugger den anderen Teilhabern des Syndi- kats die venezianischen Kupfervorräte gegen einen Festpreis zum freien Verkauf.Dennoch rief sein Geschäftsgebaren naturgemäß bei den betroffenen Firmen große Verärgerung her- vor: Insbesondere Georg Gossembrot, ein Bruder des Augsburger Großkaufmanns Sigmund Gossem- brot und einflussreicher Ratgeber König Maximili- ans, versuchte in der Folgezeit, seinen Einfluss am Innsbrucker Hof gegen die Fugger geltend zu ma-chen. Die Abhängigkeit Maximilians von Fugger- schem Kapital war indessen zu diesem Zeitpunkt bereits zu groß, als dass der Herrscher gegen sei- nen wichtigsten Finanzier in die Auseinanderset- zungen um das Kupfersyndikat eingegriffen hätte.Konrad Peutinger verfasste im folgenden Jahr ein Gutachten zu diesem Kupfersyndikat, welches, so der Historiker Heinrich Lutz, „das erste Dokument seines wirtschaftsrechtlichen und wirtschaftsethi- schen Denkens“ darstellt und ihn „in engster Affi- nität zu der Gedankenwelt der großen Augsburger Handelsherren“ zeigt. Darin argumentierte Peutin- ger auf der Grundlage des Monopolgesetzes des spätrömischen Kaisers Zeno, dass ein Zusammen- schluss wie das Kupfersyndikat prinzipiell mit dem Grundsatz des gemeinen Nutzens vereinbar sei. Aus seiner Sicht stellte das Syndikat auch keinen Versuch dar, den venezianischen Kupfermarkt zu monopolisieren, und führte eher zu einer Senkung als zu einer Erhöhung der Preise.Das offenbar von Jakob Fuggers Konkurrenten in Auftrag gegebene Gutachten kritisierte Fugger scharf wegen seiner Verstöße gegen den Wortlaut des Vertrags sowie gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Peutinger war der Auffassung, dass „solch geselschaft als ain bruderschaft geacht ist und sy sich undereinander mit lieb und treu mai- nen und halten sollen wie geprieder.“ Der Augsbur- ger Stadtschreiber verbindet in seiner Kritik am Geschäftsgebaren Fuggers juristische Argumente mit ethischen Maximen antiker Autoren (Aristote- les, Cicero). Mit der Rückbindung wirtschaftlichen Handelns an ethische Normen sprach er ein Thema an, das ihn selbst wie auch die großen süddeut- schen Handelsgesellschaften in den folgenden Jahr- zehnten weiterhin intensiv beschäftigte. Für Kredite an Kaiser und andere finanziell klamme Potentaten ließen sich die Fugger wertvolle Schürf- rechte übertragen. Ein einträgliches Geschäft, das auch zu juristischen Händeln führte.Prof. Dr. Mark Häberleinist Lehrstuhlinhaber für Neuere Geschichte an der Universität Bamberg.Der Peutinger 11 / 2015 23


































































































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