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KONRAD PEUTINGEREin Heim für Bücher und FamilieDas Peutingerhaus in der Peutingerstraße 11 ist noch heute eine Touristenattraktion in Augsburg. 1515 kaufte Konrad Peutinger das dreigeschossige Gebäude unweit des Doms für sich, seine vielköp- fige Familie und vor allem für seine umfangreiche Bibliothek. Hier empfing er Gäste zu anregenden Tischgesprächen und lud 1518 auch Martin Luther zu einem Abendessen ein, bei dem Peutinger ver- suchte, den Reformator abzubringen von seinem Plan, eine neue Kirche zu gründen.Peutingers Nachfahren verkauften das Gebäude 1750 an den Arzt Ignaz Xaver Frank, dreizehn Jahre später wurde es mit einer Rokokofassade versehen. Im Innenhof und in der Tordurchfahrt sind römische Tafeln, Grabmonumente und ein mittelalterlicher Stein mit hebräischer Schrift zu sehen. Sie stammen aus Peutingers umfangrei- cher Antikensammlung. Auf den Seld-Plan (li.) von 1521 hat Peutinger seinen Namen eigenhän- dig auf die Fassade geschriebenProf. Dr. Jan-Dirk Müller, 1941 in Köln geboren, studierte in Wien, Tübin- gen und Köln. Über die Universitäten Münster und Hamburg kam er 1991 an die LMU München, wo er bis zu seiner Emeritierung 2009 den Lehrstuhl für Äl- tere deutsche Sprache und Literatur innehatte.antike Deutschland. Er stellte antike Inschriften auf deutschem Boden zusammen. Weil viele von ihnen seit damals verloren gingen, ist dies ein unschätzba- res Quellenwerk, das der Historiker Theodor Momm- sen im 19. Jahrhundert herausgab.Die Liste seiner literarischen Bemühungen ließ sich lange fortsetzen. Und in seiner Bibliothek (über die an anderer Stelle in dieser Ausgabe ausführlich be- richtet wird) stößt man immer wieder auf neue In- teressen jenseits seines Hauptfaches der Rechte. Der Horizont ist nicht, wie dies ein Vorurteil über den Humanismus will, auf die Antike und das an ihr inspirierte neuere Schrifttum beschränkt, sondern schließt auch das Mittelalter ein. Peutinger und der Kreis deutscher Humanisten, mit dem er zusammen- arbeitete, waren auf der Suche nach verschütteten Bildungstraditionen antiker Provenienz auf dem Boden des Reichs, die die italienische Behauptung von der Barbarei des Nordens Lügen strafen konnte. So entstand eine Vorstellung von einer „nationalen“ (nicht nationalistischen) Identität der europäischen Länder, die den mittelalterlichen Universalismus verabschiedete, weiterhin aber gegründet auf der Lingua franca des Lateins.Die Beschäftigung mit juristischer Fachliteratur (ein- schließlich der ökonomischen Gutachten) steht mit diesen Interessen in engem Zusammenhang. Das römische Recht bedurfte – gegen mittelalterliche Adaptionsversuche – philologischer Rekonstruktion des Wortlauts wie der kulturgeschichtlichen Unter- suchung der angesprochenen Sachverhalte. Der Ju- rist Peutinger war auf die Kenntnisse des Philologen und Historikers Peutinger angewiesen. Auch als Helfer Maximilians war er in seiner humanistischen Gelehrsamkeit gefordert. Eher skurril ist es noch, wenn der Kaiser ihn um 100 antike Frauennamen zur Taufe von Kanonen aus seinem Geschützpark bittet. Wichtiger sind die historisch-genealogischen Forschungen, die Maximilian zu seinen und des Hau-ses Habsburg Ehren in Gang setzte und derentwegen er eine ganze Anzahl von Gelehrten in Archiven und Klöstern, in alten Schriften und auf Grabmonumen- ten suchen ließ.Je weiter die Ereignisse zurückreichten in den Ne- bel der mittelalterlichen oder gar vorrömischen Ge- schichte, je näher man an die Erschaffung der Welt herankam, desto mehr war das kritische Gutachten eines Fachmannes gefragt, der die allzu gewagten Spekulationen, etwa des erfinderischen Abtes Jo- hannes Trithemius, zurückschneiden konnte. Über Peutinger liefen aber auch Aufträge, Kontrolle und Bezahlung der bildenden Künstler, zu denen Be- rühmtheiten wie Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair und Hans Schäufelein gehörten. Er sollte aber auch an der Redaktion des immer konfu- seren „Weiskunig“, einer ritterlich stilisierten Dar- stellung der Kriege und politischen Unternehmun- gen Maximilians, mitgewirkten.Als Vertrauter des Kaisers und einflussreicher Po- litiker wurde Peutinger von humanistischen Kolle- gen als Mäzen gefeiert. Ein Höhepunkt war es, als während des Augsburger Reichstages 1518 der Dich- ter Ulrich von Hutten in Peutingers Haus durch die Hand seiner Tochter den Poetenlorbeer erhielt, den ihm der Kaiser zuerkannt hatte.Mit dem Ende des Maximilianeischen Zeitalters trat Peutingers kulturelle und politische Wirksamkeit etwas zurück (während er erst jetzt seine Kraft auf die eindrucksvolle Bibliothek konzentriert zu haben scheint). Das hängt auch damit zusammen, dass Peu- tinger der Reformation reserviert gegenüberstand und dass er dadurch in Opposition zur Intelligenz der 1520er und 1530er Jahre geriet. Er ist 1547 ge- storben, mehr als 20 Jahre, nachdem seine große Zeit zu Ende gegangen war, und mehr als 10 Jahre nach der Beendigung seines ausgreifenden politischen Wirkens in Augsburg. 8Der Peutinger 11 / 2015Bild: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg


































































































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