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KONRAD PEUTINGER356an die Reichsöffentlichkeit, derer sich Maximilian wie keiner seiner Vorgänger bediente, herausbrachte und in Augsburger Pressen drucken ließ.Nach dem Tod Maximilians 1519 war Peutinger wei- ter aktiv: Er zog 1520 die Fäden bei der Wahl Kaiser Karls V., war Bevollmächtigter des Schwäbischen Bundes gegenüber dem Kaiser und suchte, die Auswirkungen der beginnenden Reformation nicht eskalieren zu lassen. Erst in den 30er Jahren, als dieser Versuch gescheitert war, zog er sich zurück.Peutinger war ein führender reichsstädtischer Poli- tiker, der aber zugleich auch ein Humanist war. Sein Interesse für antike Schriftsteller, für die Geschichte und für die Förderung von Gelehrten und Poeten, die sich darum kümmerten, war mehr als die Liebha- berei eines vielbeschäftigten Mannes. Wissen und Bildung hatten an der Wende zur Neuzeit eine be- sondere Bedeutung. Die verschiedenen Formen und Disziplinen theoretischen und praktischen Wissens waren weit enger aufeinander bezogen und von ein- ander abhängig als in der modernen funktionsteili- gen Gesellschaft. Obendrein waren die Humanisten angetreten, um eine ihrer Ansicht nach nur noch mit sich selbst beschäftigte „scholastische“ Wissen- schaft durch praktisch relevantes Wissen abzulösen und statt spekulativer theologischer Dogmatik Ethik, statt Logik (Dialektik) Rhetorik und statt des barba- rischen Lateins der Universitätsleute die elegante Sprache der römischen Klassik zu fördern.Das antike oder an der Antike geschulte Schrifttum sollte sprachliche Gewandtheit ebenso wie Maximen richtigen Handelns als Privatmann wie bei öffentli- chem Wirken vermitteln. Im Kanon der Disziplinen verschoben sich die Gewichte. Die Poesie (und nicht mehr die theologische Summe) galt als Inbegriff nütz- licher Kenntnisse, dazu Geschichte und Geographie, philosophische (vor allem ethische) und politische Traktate. Nicht Spezialwissen für Kleriker, sondern umfassende und umfassend einsetzbare, sprachlich fundierte Bildung war das Ziel.Peutinger kam ihm wie kaum ein anderer nördlich der Alpen nahe. Allein das Spektrum der Diszipli- nen, in denen er arbeitete, weist ihn als einen „Uomo universale“ aus. Der Schweizer Kulturhistoriker Ja- cob Burckhardt erhob ihn gar zum Prototypen der europäischen Renaissance. Mit seinem Namen ver- bunden ist eine der ältesten Weltkarten, die Tabula Peutingeriana, die im 12. Jahrhundert nach einer antiken Vorlage gezeichnet worden war. Peutinger verfasste eine Geschichte der Kaiserherrschaft in Deutschland und war an der Edition des größten his- torischen Epos des mittelalterlichen Kaisertums, des lange Zeit Gunther von Pairis zugeschriebenen „Li- gurinus“ aus der Zeit Barbarossas, beteiligt.Er beschäftigte sich ebenso mit deutscher Frühge- schichte, die Thema seiner „Sermones convivales“ ist: Weniger eine Wiedergabe von Tischgesprächen eines illustren Kreises, zu dem auch Maximilians mächtigs- ter Minister gehörte, als eine Abhandlung über das zur Bildmitte hin liegen das Rathaus (3) und der Perlachturm (4). Darüber ist jenseits der Stadtmauer die gerade neu errichtete Fug- gerei (5) zu sehen; sie ist die erste Sozialsiedlung der Welt. Auf der rechten Bildhälftedas 1019 gegründete Stift St. Moritz (6). Das 1510 von Ja- kob Fugger erworbene Recht, dort eine Predigerstelle zu bestellen, gilt bis heute fort. Rechts an der Stadtmauer die 1321 gegründete Kirche St. Anna (7). Hier wohnte Mar- tin Luther, als er 1518 sich weigerte, seine 95 Thesen zu widerrufen. Und von hier floh er nachts vor der drohenden Verhaftung.Der Peutinger 11 / 201577

