Page 6 - DerPeutinger11-2015
P. 6
KONRAD PEUTINGER421Augsburgs ältester erhalte- ner Stadtplan, der sogenann- te Seld-Plan, entstand 1521 aufgrund der Vermessungen von Jörg Seld, einem Augs- burger Goldschmied und Sohn eines Brauers. Der großformatige Holzschnitt (190 mal 81 Zentimeter) bietet ein genaues Bild der Reichsstadt zur Zeit Konrad Peutingers. Das kolorierte Exemplar, das heute im Be- sitz der Kunstsammlungen und Museen Augsburg ist, befand sich in Peutingers Bibliothek und wurde von ihm auch eigenhändig mit Hinweisen versehen. So hat er „Peutinger“ an sein sechs Jahre zuvor erworbenes Haus geschrieben (1). Links darüber ist der Dom (2), Von Beruf war Dr. Konrad Peutinger Jurist. Das qua- lifizierte ihn zum Stadtschreiber – wir würden heute sagen: Leiter der städtischen Verwaltung – in seiner Vaterstadt Augsburg. Ein Amt, das er in der damals ökonomisch fortgeschrittensten Kommune im Reich seit 1497 innehatte. Sein Ansehen war so groß (und Juristen in vergleichbaren Ämtern noch so rar), dass er als Rechtsgutachter auch in anderen Städten ge- fragt war – in Ehesachen und privaten Rechtsstreitig- keiten ebenso wie in öffentlichen Angelegenheiten, die die Stadt im Verhältnis zu anderen Reichsständen betrafen.Doch war er weit mehr als ein süddeutscher Lokal- politiker. Augsburg war Finanzmetropole. Die reichs- ten Familien der Stadt – die Fugger, die Welser und einige andere – dominierten nicht nur in der ober- deutschen Textilindustrie und im Fernhandel, son- dern sie waren auch die wichtigsten Financiers der Reichsspolitik. Seit den Anfängen seiner Regierung hatte sich Kaiser Maximilian I. (1459 – 1519) in im- mer stärkere Abhängigkeit von ihnen gebracht, in- dem er ihnen gegen Anleihen in bar die Ausbeutung der landesherrlichen Rechte am Silberbergbau, zu- mal in Tirol, abgetreten hatte. Mit diesen Anleihen finanzierte er seine Kriege, die Vorbereitungen zu seinem (gescheiterten) Rom-Zug, aber auch die auf- wändigen Projekte, mit denen er sich und seiner Dy- nastie ein Denkmal für die Nachwelt setzen wollte. Auch die Wahl seines Nachfolgers Karl V. konnte nur mit Augsburger Kapital gesichert werden.Damals gab es noch keine feste Residenz, und so war Augsburg ein Zentrum der Reichspolitik. Nicht nur, weil er mit einer Welser verheiratet war, spielte Peutinger damals eine Hauptrolle. Für das Augsbur- ger Großkapital organisierte er öffentliche Disputa- tionen, an denen Johann Eck (der spätere Gegner Luthers) gegen das Zinsverbot des kanonischen Rechts zu Felde zog, das die Geldgeschäfte behinder- te und die Financiers juristisch verwundbar machte. Das diente den reichen Verwandten ebenso wie einer Sicherung der Grundlage der Reichsfinanzen.Als sich mit der Entdeckung Amerikas erstmals an- deutete, dass sich der ökonomische Schwerpunkt Europas an die Peripherie verlagern werde, war Peu- tinger unter den Organisatoren einer Südamerika-Ex- pedition der Welser. In den 1520er Jahren trat er mit einer Reihe von Denkschriften für das Reichsregi- ment hervor, die gegen scholastische und reformato- rische Beschränkungen der Geldwirtschaft sowie der Kapitalkonzentration des Handels gerichtet waren und die nach Auskunft der Fachleute zum ersten Mal Prinzipien einer liberalistischen Nationalökonomie formulierten und das altständische Wirtschaftsden- ken, das die Reichspolitik prägte, überwanden.Doch auch sein direkter politischer Einfluss war groß. Maximilian vertraute ihm die Organisation politi- scher wie literarisch-künstlerischer Unternehmungen an. Peutinger führte das kaiserliche Siegel, so dass er in Maximilians Auftrag Ausschreiben zum Reichstag, kaiserliche Mandate oder auch publizistische Aufrufe6Der Peutinger 11 / 2015

